Von der Aktivistin zur Partei-Gründerin: „Eine ziemlich coole Gratwanderung“

Jeanette Krüger, 31 Jahre, kam im letzten Jahr über die Volksinitiative „Klimanotstand Berlin“ mit Menschen zusammen, die sie politisch und aktivistisch mitgerissen haben. Mit einigen Aktivist*innen hat sie jetzt die Partei radikal:klima gegründet, die bei der Abgeordnetenhauswahl 2021 für einen sozialgerechten Klimaschutz in Berlin antritt.
Was treibt eine Aktivistin an, sich nun parteipolitisch zu engagieren?
Jeanette, was bewegt dich?
Ich will den Klimaschutz vorantreiben – hier in Berlin. Weil je mehr man über den Kliawandel weiß, desto weniger kann man die Augen verschließen und desto schlimmer wird dieses Zukunftsszenario, was man sich vor Augen führt. Wie man diesen ganzen Horror-Szenarien entgegenwirken kann? Mit Aktivismus. Innerhalb dessen finde ich die Partei radikal:klima – was meine momentane aktivistische Anstrengung ist – eine ziemlich coole Gratwanderung. Man kann auf der einen Seite sich noch neu entdecken, eintauchen und ausprobieren, dadurch dass wir Politik anders denken wollen. Aber auf der anderen Seite muss man dieses klassische System erstmal verstehen, hinterfragen und dann versuchen so langsam aufzuknacksen.
Was ist dein persönliches Ziel mit radikal:klima?
Es gibt verschiedene Ziele. Das eine Ziel ist die 5-Prozent-Hürde zu knacken, um in die Gestaltung reinzugehen. Also, wie können wir Berlin gestalten? Aber davor passiert einfach schon sehr viel mehr. Mein persönliches Ziel ist es deswegen eine Community aufzubauen, die sich gegenseitig bestärkt, wo wir alle zusammen an einem Hebel ziehen und gemeinsam Schritt für Schritt Druck auf die aktuellen Parteien ausüben. So können wir auf dem Weg bis zu den Wahlen vielleicht die eine oder andere Wahlprogrammänderung bei den anderen Parteien bewirken.
Wie motivierst du andere Menschen politisch aktiv zu werden?
Ich glaube, es gibt verschiedene Ansätze. Zum einen kann man Menschen für ein kleines Projekt heranziehen, das man miteinander umsetzt. So dass sie Blut lecken und dann Bock haben, dabei zu bleiben. Zum anderen geht es auch viel um Bestärkung – eine Caring Culture aufbauen. Das heißt, du kennst die Menschen. Es gibt einen familiären Aspekt. Du freust dich, wenn du zu einem Treffen gehst.

Es geht also um mehr als Politik machen?
Ich persönlich habe überhaupt keinen Bock auf Politik, ich habe keinen Bock auf Partei. Ich sehe das momentan als nötige Aktionsform für mich. Eigentlich will ich wirklich, was klassisch Politik ist, komplett anders denken. Für mich ist es zu abstrakt, zu alt eingesessen und zu starr. Ich will das Aktivistische in die Politik bringen, etwas Neues aufbauen.
Warum ist es wichtig, sich politisch zu beteiligen?
Die Politik müsste uns dienen. Und sie kann uns nur dienen, wenn wir uns beteiligen. Wenn wir der Politik nicht sagen, was wir brauchen und was wir wollen, dann kann in diesem Machtkonstrukt, wo es eher um Stimmen-Maximierung geht, nichts passieren. Ohne politische Beteiligung wird es keinen Wandel geben.