OB-Kandidatin Gordana Rammert: „Ich komme aus dem echten Leben“

OB-Kandidatin für Bielefeld

Gordana Rammert, 33 Jahre, tritt bei den Kommunalwahlen für das Bündnis Piraten/Bürgernähe als OB-Kandidatin in Bielefeld an. Als Frau, Arbeiterkind und alleinerziehende Mutter kennt sie viele Lebenslagen, die oft zu wenig in der Politik berücksichtigt werden. Deswegen kämpft sie für mehr Partizipation und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und politischem Engagement.

Das komplette Interview zum Hören:

Was sollten die Wähler*innen über dich wissen?
Ich bin alleinerziehende Mutter einer 10 Jahre alten Tochter. Ich bin Multi-Jobberin, habe drei Jobs insgesamt. Und ich bin im Gegensatz zu anderen OB-Kandidaten keine Volljuristin, die ihr Leben lang irgendwie Kreis-, Hörsaal- und Plenarsaal hinter sich hat. Ich komme quasi von der Straße, aus dem echten Leben.

Wie erklärst du deiner Tochter den Job als Oberbürgermeisterin?
Sie hat schon festgestellt, sie wird schnell politisiert. Sie hat relativ früh in der ersten Klasse Briefe an den Oberbürgermeister geschrieben wegen der Elterntaxis vor der Schule. Hat sich darüber beschwert. Dann meinte ich, ich könnte jetzt auch Oberbürgermeisterin werden. Sie so: Ja, das ist wichtig, dann bist du wenigstens die Chefin und dann kannst du bestimmen, dass hier keine Elterntaxis mehr stehen dürfen.

Wie gestaltet sich der Wahlkampf für dich als alleinerziehende Mutter? Welche Hürden nimmst du wahr?
Im Endeffekt ist der Wahlkampf für mich wie Alltag. Ich muss immer permanent flexibel sein, neue Pläne schmieden oder Alternativen finden. Man improvisiert ganz viel – das ist das Leben von Alleinerziehenden. Corona hat nochmal ordentlich „reingekickt“. Uns war nicht klar, wie heftig die Einschränkungen sind. Aber ich bin stressresistent.

Welches Thema möchtest du in der Kommunalpolitik voranbringen?
Es gibt für mich zwei Themen. Das allerwichtigste für mich ist ein Büro für Partizipation, direkt angesiedelt unter der Oberbürgermeisterin und über den Dezernaten, damit es eine Strahlwirkung hat. Damit überall Beteiligung stattfinden und umgesetzt werden muss. Damit es keine Ausreden mehr gibt.
Das zweite für mich wichtige Thema ist ein Care-Point, eine Art Pflegestützpunkt, weil Care-Arbeit nach wie vor nicht bezahlt wird. Für Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen ist es so, dass die Care-Arbeit allein schon ganz viele Ressourcen frisst.  So dass man keine Zeit hat, seine eigenen Bedarfe zu ermitteln und die dann auch einzufordern. Da wünsche ich mir als alleinerziehende Mutter, dass ich ins Rathaus gehen kann und fragen: Was steht mir eigentlich? Erst wenn ich weiß, was mir zusteht, kann ich die Sachen auch einfordern.

Derzeit liegt der Frauenanteil in den Städte- bzw. Gemeinderäten in NRW bei nur 24 Prozent. Was muss sich ändern, damit sich noch mehr Frauen politisch beteiligen?
Bei diesen 24 Prozent sind auch kaum Frauen in meinem Alter dabei. Die meisten Frauen, die im Rat sitzen, sind tatsächlich über 60 Jahre alt. Dann wenn sie es sich wieder leisten können. Damit meine ich das Finanzielle oder weil die Kinder alt genug und aus dem Haus sind.
In Bielefeld kann man sich, wenn man im Ausschuss sitzt, eine Kinderbetreuung erstatten lassen. Aber nur wenn man nicht Studentin oder nicht Hausfrau ist. Unabhängig von meinem beruflichen Status, brauche ich aber für die Ausschusszeit eine vernünftige Aufsicht für mein Kind und das muss finanziert werden. Dann geht es auch nicht, dass eine Ratssitzung bis 23 Uhr dauert. Das ist keine Vereinbarkeit. Da müssen wir schauen, dass wir vormittags eine Freistellung erwirken können, dann wenn auch eine Kita geöffnet ist. Dann müssen die Ausschüsse eben tagsüber stattfinden.

Stell dir vor, es ist Wahlabend und du machst das Rennen. Wie belohnst du dich selbst?
Ich glaube, ich hätte kein schlechtes Gewissen, wenn ich meinem Kind und mir endlich einen Urlaub gönnen könnte oder würde. Das ist tatsächlich dann nicht nur die Belohnung für die letzten Wochen Wahlkampf, sondern auch für die letzten neun Jahre ehrenamtliches Engagement.

Was motiviert dich? Was möchtest du anderen Frauen mitgeben, damit sie politisch aktiv werden?
Ich habe festgestellt, man kann politisch etwas bewirken. Manchmal dauert es, aber man kann etwas erreichen. Das war eine Bestätigung. Auch der Anreiz, wenn nicht für mich, dann kann ich es wenigstens für die anderen besser machen. Das ist der Antrieb, warum ich Politik mache.

Hinweis: Der Text ist gekürzt.

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