Endlagersuche: Die Stimme der jungen Generation
Ende 2022 sollen die letzten Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gehen. Übrig bleibt hoch radioaktiver Atommüll, über dessen sichere Endlagerung seit Jahrzehnten heftig gestritten wird. In einem großen Beteiligungsprozess soll nun bis 2031 eine von der Bevölkerung akzeptierte Standortauswahl für die Endlagerung erfolgen.
Jorina Suckow ist Vertreterin für die junge Generation im Nationalen Begleitgremium, das den Prozess als eine Art unabhängige Kontrollinstanz im Auge behält. Wir haben für das Magazin der dbb jugend über ihre ehrenamtliche Arbeit im Begleitgremium und die Beteiligungsmöglichkeiten für junge Menschen bei der Endlagersuche gesprochen.
Jorina, wie bist du Mitglied des Nationalen Begleitgremiums (NBG) geworden?
Das war Zufall. Auf dem Weg von der Uni nach Hause habe ich eines Tages einen Anruf erhalten. Die Frage war, ob ich gehört hätte, dass wir ein Endlager für hoch radioaktiven Müll in Deutschland suchen. Ich hatte keine Ahnung von dem Thema und habe mir erst einmal Informationen zuschicken lassen. Später habe ich mich dann mit den anderen Bürger*innen getroffen und ausgetauscht, die ebenfalls vom Bundesumweltministerium zufällig angerufen worden sind. Gemeinsam haben wir drei Vertretungen für das Nationale Begleitgremium gewählt.
Zum Auswahlverfahren: Auf Basis einer Zufallsstichprobe wurden ca. 69.000 Telefongespräche in ganz Deutschland geführt, in denen 571 Menschen ihr Interesse bekundet haben. Davon nahmen 118 Bürger*innen an einer der fünf regionalen Konferenzen teil – eine davon speziell für die junge Generation. Die Teilnehmenden erarbeiteten Empfehlungen für die Arbeit im Nationalen Begleitgremium (NBG) und wählten in jedem Forum jeweils drei Frauen und drei Männer in ein Beratungsnetzwerk. Das Beratungsnetzwerk hat in einer weiteren Sitzung drei Vertreter*innen für das NBG in geheimer Wahl mit absoluter Mehrheit gewählt – darunter eine Frau, einen Mann und eine Vertreterin der jungen Generation.
Was hat dich motiviert, dich zur Wahl zu stellen?
Ich habe es mir mit dieser Entscheidung nicht leicht gemacht, weil ich gerade am Ende meines Jura-Studiums war und mit der Vorbereitung auf das erste Staatsexamen begonnen hatte. Aber ich habe auch erkannt, wie wichtig das Thema ist und es als meine Bürgerpflicht angesehen, diese Verantwortung zu übernehmen.
Wie gestaltet sich die Arbeit im Gremium?
Es ist schon deutlich mehr Arbeit, als ich damals gedacht hatte. Wir haben jeden Monat eine Sitzung – im Moment digital, aber ansonsten irgendwo in Deutschland. Dazu haben wir Arbeitsgruppen gebildet, die ihre eigenen Sitzungstermine haben. Außerdem gibt es öffentliche Veranstaltungen, an denen ich aufgrund meiner Rolle teilnehme. Ich habe mir nie die Mühe gemacht, die Anzahl der Stunden pro Woche aufzuschreiben, aber es ist zeitlich schon sehr herausfordernd.
Was hast du bisher in deinem Engagement als Vertreterin für die junge Generation im Nationalen Begleitgremium gelernt?
Ich habe viele fachliche Kenntnisse gewonnen, weil ich davor absolut keine Berührungspunkte mit dem Thema hatte. Darüber hinaus habe ich viel über politische Prozesse gelernt und wie ich in hitzigen Diskussionen ruhig und sachlich argumentiere.
Die Zivilgesellschaft blickt kritisch auf die Endlagersuche und den Beteiligungsprozess. Wie nimmst du die Stimmung auf den Veranstaltungen wahr?
Am Anfang war ich teilweise etwas erschrocken wie hitzig die Debatten geführt werden. Aber man gewöhnt sich daran. Es gehört bei einem so konfliktreichen Thema dazu, dass es kritische Diskussionen gibt.
Hast du Kritikpunkte bezüglich des bisherigen Verfahrens bei der Endlagersuche?
Ein großer Punkt ist die (Nicht-)Veröffentlichung der verwendeten Daten für die Auswahl der ersten Teilgebiete. Die Daten sind teilweise von privaten Firmen erhoben und der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) zur Verfügung gestellt worden. Deswegen durften sie verwendet, aber nicht veröffentlicht werden. Dafür ist letztes Jahr ein Geologiedatengesetz erlassen worden, das eine entsprechende Grundlage schafft. Aber der Bearbeitungsprozess dauert an und es gibt immer wieder strittige Fragen. Das muss aber zwingend transparent werden. Jeder muss theoretisch in der Lage sein – zum Beispiel für den eigenen Wohnort – die Daten nachzuprüfen, die zur Auswahl des Standortes geführt haben.
Warum sollten sich junge Menschen am Prozess zur Standortauswahl für die Endlagerung beteiligen?
Das Thema wird uns lange beschäftigen. Bis 2031 soll der Endlager-Standort gefunden sein. Das wird vielfach als unrealistisch eingeschätzt. Selbst wenn wir die Suche abgeschlossen haben, ist es damit nicht getan. Das Endlager muss gebaut, die Stoffe eingelagert und das Ganze sicher verschlossen werden. Der Prozess dauert mehrere Jahrzehnte an, aber wir müssen uns jetzt damit beschäftigen. Ich bin zwar Vertreterin der jungen Generation, aber die Lasten müssen auch die Generationen nach mir tragen. Der Ansporn kann für junge Menschen sein, sich beruflich damit zu beschäftigen. Wir brauchen interdisziplinäre Expertise für den Bau des Endlagers oder auch die offenen Fragen, die sich durch die Auswirkungen der Endlagerung ergeben.
Wie hat sich die junge Generation bisher eingebracht?
Bei den Veranstaltungen sieht man zwar immer wieder junge Gesichter, aber im Verhältnis sind das viel zu wenige Teilnehmende. Es gab kürzlich ein Kooperationsworkshop speziell für junge Menschen von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), dem Bundesamt für Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) und dem Nationalen Begleitgremium (NBG). Der war ganz gut besucht, die Teilnehmenden haben aber auch nicht den Durchschnitt der Gesellschaft abgebildet. Fast alle haben studiert und es waren tendenziell eher Menschen, die älter als 20 Jahre sind.
Was wünschst du dir für den weiteren Beteiligungsprozess?
Zentrale Aufgabe des Nationalen Begleitgremiums ist es, das Standortauswahlverfahren als unabhängige Instanz zu begleiten. Wir geben hin und wieder kritische Hinweise. Aber wir führen die Beteiligung selbst nicht durch. Ich wünsche mir, dass der Beteiligungsprozess so abläuft, wie er im Standortauswahlgesetz angelegt ist. Da steht: Die Bürgerinnen und Bürger sind Mitgestalter des Verfahrens. Das Verfahren soll transparent, partizipativ, lernend und selbsthinterfragend sein. Das sind große Wörter, die mit Leben gefüllt werden müssen. Das ist natürlich nicht so einfach. Man wird nie jeden erreichen können und es wird sich auch nicht jeder einbringen wollen. Es wäre aber schön, wenn möglichst viele Menschen das als Chance begreifen und sich einbringen. Es sind keine Vorkenntnisse nötig, alle sind willkommen.